Von Übeltritten und Kindividualität
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Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie müssen an einem Arbeitsplatz, welchen Sie nicht ausgewählt haben, eine Arbeit verrichten, welche Ihnen nicht zusagt. Wiederholt beurteilen Vorgesetzte ungefragt Sie und Ihre Arbeit. Eines Tages werden Sie selektioniert und in eine andere Abteilung versetzt, wo es im gleichen Stil weitergeht. Das klingt schräg, finden Sie nicht auch? Doch genau das geschieht unzähligen Kindern und Jugendlichen in diesem Land.
Für mich als Primarlehrer heisst Selektion, dass Erwachsene über Kinder entscheiden. Aufgrund von Leistungen in bestimmten Fächern sowie von gewissen personalen Fähigkeiten bestimmen die Grossen den Schultyp, welchen die Kleinen in der Oberstufe besuchen werden. Zwar gibt es immer mehr Schulen, welche mit durchlässigen Modellen versuchen, die Selektion abzuschwächen. Aber das Grundübel, die Selektion, bleibt bestehen, Kinder werden selektioniert. Übeltritt statt Übertritt.
Individualität wird heute grossgeschrieben. Fahrräder, ja sogar Autos lassen sich heute nach individuellen Wünschen und Bedürfnissen zusammenstellen. In den Leitbildern von Schulen landauf, landab wird die Individualität der Kinder hervorgehoben. Doch wie sieht es im Schulalltag aus? Wie weit werden Kinder wirklich individuell gefördert? Wie nehmen wir Rücksicht auf ihre Stärken, ihre Möglichkeiten und Eigenheiten? Wie kindividuell dürfen Kinder sein?
Eine kindividuelle Volksschule ohne Übeltritt ist für mich die Schule der Zukunft. Es ist eine Schule mit mehr Freude und weniger Frust bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Der Weg zu dieser selektionsfreien Schule liegt vor uns. Lasst ihn uns gemeinsam gehen. Beharrlich, zuversichtlich, Schritt für Schritt.